Mein Wunsch einmal richtigen Winter zu erleben, führt mich nach Finnland in die Wälder Nord-Kareliens zum Gasthaus Pihlajapuu (das ist finnisch und bedeutet “Vogelbeere”. Die weißen Blüten der Vogelbeere/Eberesche werden sehr gerne von Elchen gefressen). Ich kenne diesen Ort bereits von meinem Sommerurlaub 2010 und war nun besonders gespannt wie es im Winter dort aussieht.
Da ich gemütliches Beisammensein und gute Gespräche sehr mag, habe ich mich einer Gruppe angeschlossen. Der Urlaub steht unter dem Motto „puhutaan suomea“ – „wir sprechen finnisch“. Seit 6 Monaten besuche ich einen Finnischkurs und bin jetzt hochmotviert meine neu erworbenen Finnischkenntnisse in der Praxis auszuprobieren. Ich verbringe jeden Tag draussen aktiv in der Natur: neben Skilanglaufen und Schneeschuhwandern steht auch Eislochangeln auf dem Programm, die Kamera hat mich stets begleitet. Die endlosen Wälder, zugefrorenen Seen, das Rauschen des Windes, Vogelstimmen, Spuren im Schnee und die finnische Gelassenheit…..sind Balsam für die Seele. Nachmittags geht es täglich in die hauseigene Sauna. Erholung für die Muskeln und Knochen.
Einmal wird etxra für uns die traditionelle finnische Rauchsauna eingeheizt, ein besonderes Highlight. Zur Abkühlung steigen wir stolz und mutig ins Eisloch. Anschliessend werden unsere hungrigen Mägen mit Lachs (welcher vorher traditionell am Lagerfeuer gegrillt wurde) und überbackenem Eis verwöhnt – ein wahrer Gaumenschmauß.
Neben der Gruppenaktivität soll meine Fotografie auch nicht zu kurz kommen. Ein besonderer Wunsch von mir ist es Nordlichter zu sehen und zu fotografieren. Momentan ist die Sonne sehr aktiv, gute Chancen für die Aurora borealis. Jeden Abend studiere ich die Statistiken und Polarlichtvorhersagen, um im entscheidenden Moment am richtigen Ort zu sein. Bereits am zweiten Abend beschloss ich mein Glück zu versuchen. Kamera und einen Haufen Klamotten für einen längeren Aufenthalt bei Minusgraden in der kalten, klaren Winternacht habe ich mir am Vorabend schon bereit gelegt, um nicht im Halbschlaf etwas zu vergessen. Der Wecker ist gestellt und verspricht mir drei Stunden Schlaf, nun aber schnell hinlegen… Aus lauter Vorfreude und Spannung wache ich über eine Stunde vor dem Weckerklingeln auf.
Ein Blick aus dem Fenster trübt meine Freude: es ist bewölkt und schneit. Ich warte noch ein paar Minuten, in der Hoffnung es würden plötzlich alle Wolken wie von Zauberhand verschwinden. Denn ich weiß dahinter tanzen die schönsten Polarlichter. Doch auch nach 40 Minuten war keine Wetteränderung in Sicht. Ich entschliesse mich für diese Nacht mein Vorhaben abzubrechen und geniesse mein warmes Bett. In der kommenden Nacht schmeisst mich mein Wecker nach 2 Stunden Schlaf aus dem Bett. Ich wandele schlaftrunken zum Dachfenster. Die Nacht ist klar, keine einzige Wolke am Himmel zu sehen. Ich bin sofort hellwach und springe in meine Klamotten, nichts wie raus. Ich werde begrüßt von der Nacht. Es gibt hier in der Nähe keine großen Städte, über denen der Abgasdunst schwebt. Die Luft ist rein, sauber und klar. Tausende von Sternen leuchten hell am nächtlichen Himmelszelt. Ein wunderbarer Anblick. In einer warmen Sommernacht würde ich mich jetzt auf den Rücken legen und die ganze Nacht diesen Anblick geniessen. Doch eisiger Wind, die Kälte und Schnee halten mich davon ab.
Ich habe Glück. Direkt neben unserem Gasthaus ist ein größeres Feld mit freiem Blick von Nord-osten nach Nordwesten. Ich schaue gespannt in den Himmel voller Erwartung auf die bunten Lichter. Sie können sich jede Minute blicken lassen. Vielleicht warte ich aber auch die ganze Nacht, ohne daß etwas passiert…. Am Horizont fallen mir ein paar gräuliche Schleierwolken auf. Ich bin etwas verwundert. Von anderen Naturfotografen habe ich erfahren, daß die Polarlichter manchmal schwer zu erkennen sind. Sollten das also schon welche sein?!
Ich mache ein paar Probeaufnahmen. Der Sensor meiner Kamera macht Dinge sichtbar, die mit dem blossem menschlichen Augen nicht (mehr) wahrgenommen werden können. Der graue Wolkenschleier enttarnt sich als ganz schwaches zartgrünes Flare. Das Fotografieren ist allerdings nicht so erfolgversprechend. Das Nordlicht ist zu schwach und der Himmel zu dunkel. In meinem Kopf schwirren all die spektakulären, bunten Polarlichtbilder von anderen FotografInnen von Island, Norwegen und Lappland. Nach langer Beobachtung legte ich mich voller Freude über meine erste Sichtung und durchgefroren Schlafen. In den kommenden Nächten ist die Sonnenaktivität gesunken, der Himmel wieder bewölkt. Der Wetterbericht kündigt allerdings bereits einen neuen Sonnensturm an. Bis dieser auf die Erdatmosphäre trifft, je nachdem wie schnell bzw. wie stark er ist, werden 1-4 Tage vergehen. Nun heisst es wieder warten und hoffen. Zur Sicherheit vergewissere ich mich auch in den kommenden Nächten nochmal selbst, um wirklich kein Licht zu verpassen. Man weiß ja nie. Mein einwöchiger Urlaub neigt sich langsam dem Ende, in 2 Tagen geht es wieder zurück nach Deutschland. Am vorletzten Abend soll der Sonnensturm auf die Erde treffen. Den frühen Abend bis zum nächsten Morgen sind gute Sichtmöglichkeiten prognostiziert. Auch der Wetterbericht verspricht sternenklare Nacht. Das ist vorerst meine letzte Chance. Kurz nach Sonnenuntergang stehe ich schon in den Startlöchern und renne alle paar Minuten zum Fenster, es könnte jede Minute losgehen. Gegen 21 Uhr erkenne ich vom Fenster aus wieder verdächtige “Schleierwolken”. Es geht los – menoksi. Am Himmel tanzen grüne Lichter, welche bereits mit blossem Auge sichtbar sind. Sie werden schwächer und scheinen in der Dunkelheit zu verschwinden, um sich dann wieder aufzubäumen. Sie flackern und wandern über den Himmel wie Wellen, von unten nach oben und von rechts nach links. Sie verändern stehts ihre Position und ihre Formen, die Farben werden intensiver und schwächen sich wieder ab. Ab und an scheinen die Lichter für kurze Zeit am Himmel still zu stehen. Endlich meine erstes sichtbares revontuli – “Feuerfuchs” wie es von den Finnen genannt wird. Der Sage nach zaubert der Feuerfuchs mit seinem Schwanz die leuchten, farbigen Lichter an den Himmel.
Gegen Mitternacht sind nur noch leichte Nordlichter sichbar. Sie scheinen sich nicht zu bewegen. Vielleicht legt sich der Feuerfuchs jetzt schlafen. Ich warte und warte und warte….doch es passierte nichts. Mir wird langsam kalt. Doch die Hoffnung, daß es nochmal losgeht, ließ mich weiter in der Kälte verharren. Nach 1 1,5 Stunden warten packe ich durchgefroren meine Sachen und freue mich auf das warme Bett. Ich stapfe durch den Schnee. Noch ein letzter Blick über das Feld auf den Horizont in die Nacht, um mich zu verabschieden…..doch was sehe ich die Lichter werden wieder stärker. Die Kälte ist vergessen, schnell packe ich meine ganze Ausrüstung wieder aus der Tasche aufs Stativ und das Shooting dieses beeindruckenden Naturschauspiels geht weiter…
Nach knappen 6 Stunden verabschiede ich mich vom Feuerfuchs. Ich bin super glücklich, daß mein Wunsch in Erfüllung gegangen ist und freue mich auf die nächste Begegnung. Hei hei revontuli. Nähdään pian taas!